Glücklich leben – 5 Fragen an Glücksministerin Gina Schöler

Glücklich leben - Interview mit Gina Schöler

Glücklich leben: Gina Schöler ist Glücksministerin und bringt mit ihrer Initiative das Glück in unsere Lebenswelten. Das Glück liegt oft in den kleinen Dingen, die wir mithilfe der Achtsamkeit entdecken können.

Glück hat viele Bausteine

Liebe Gina, du hast dir als „Glücksministerin“ den eigenen Beruf erfunden und gibst Impulse, um erfüllt und glücklich zu leben – u.a. zu den Themen Zufriedenheit, positive Psychologie, Lebensgestaltung und seelische Gesundheit. Wie unterscheiden sich Glück, Erfüllung und Zufriedenheit bzw. wie hängen sie zusammen? 

 
Gina: In meinem Verständnis von Glück, sind all diese Begriffe nicht voneinander trennbar. Zufriedensein kann zum Beispiel ein Ausdruck von persönlichem Wohlbefinden und Glück sein. Dies kann wiederum sehr erfüllend sein und so weiter, alles hängt irgendwie miteinander zusammen und ist in Bewegung. In diese Reihe von Begriffen lassen sich meiner Meinung nach auch noch sehr viele weitere einreihen. Für mich persönlich hat Glück sehr viele verschiedene Bausteine. Glück kann Zufriedenheit, Achtsamkeit, Abenteuer, Erfüllung, Gemeinschaft, Selbstfürsorge und noch vieles mehr sein. Oder alles auf einmal, oder auch mal keines davon. Vom Retreat bis zum Rockkonzert. Marathon oder Meditation. Es geht beim Glücklichsein um unseren persönlichen und individuellen Weg. Für jeden von uns kann das etwas anderes sein und welche Komponenten jedem persönlich dafür wichtig sind, gilt es herauszufinden. Dabei ist es aber auch gar nicht wichtig, Dinge zu benennen, Begriffe voneinander zu trennen oder zu definieren. Es geht vielmehr um das, was sich richtig anfühlt. 
 
 

Glücklich leben: Innehalten, das Glück erkennen und spüren

Wir leben in einem der wohlhabendsten Länder dieser Erde. Fast alles ist (im Überfluss) verfügbar. Und doch gelten wir nicht gerade als glückliches Volk. Die zwanzig Minuten Verspätung wiegen oft mehr als die schnelle, sichere und komfortable Zugverbindung.

Was fehlt uns zu unserem Glück? Schätzen wir nicht, was wir haben? Oder erkennen wir es gar nicht?

 
Gina: Ich glaube, dass uns in der Welt, in der wir heute leben, oft das Auge oder die Zeit dafür fehlt, Glück als solches zu erkennen und wertzuschätzen. Denn das Glück liegt oft in den kleinsten Dingen. Um unseren Blick dafür zu schärfen, gilt es in erster Linie achtsam zu sein und im Moment zu leben. Wer vor lauter Terminen und Optimierungswahn mit seinen Gedanken schon im Morgen lebt, verpasst die kleinen Glücksmomente im Heute. Dein Beispiel mit der Zugverspätung ist da ein klassisches Beispiel. Anstatt die Sonne zu genießen, die uns während der Wartezeit am Bahnsteig in der Nase kitzelt oder doch noch ganz in Ruhe unseren Frühstücks-Kaffee an der frischen Luft zu trinken, bevor wir unseren Arbeitstag in der Bahn beginnen, ärgern wir uns darüber, dass der geplante Ablauf durch die Zugverspätung aus dem Zeitplan gerät. Natürlich ist das ärgerlich. Aber was genau ändert es an der Verspätung, wenn wir uns darüber ärgern? Im Kontrast dazu: Was ändert sich für unseren Tag, wenn wir die Sonne im Gesicht wahrnehmen und in Ruhe den Kaffee schlürfen und uns darüber freuen? 
Oft werden also Momente des Glücks gar nicht wahrgenommen oder von unguten Gefühlen überschattet. Wir müssen öfter mal durchschnaufen und uns ganz bewusst auf die Suche nach den kleinen Momenten des Glücks machen – auch gerade dann, wenn der Zug mal wieder Verspätung hat.
 
 

Glück als Lebensbegleiter in allen Lebensbereichen

Schon lange wissen wir, dass es eine Alternative zum stetigen Wirtschaftswachstum als oberstes Prinzip geben muss. Bhutan ist mit der Einführung des Bruttonationalglücks Vorreiter.
Wie kann man Glück messen? Wie glücklich sind wir in Deutschland als Gesellschaft?
Und woran könn(t)en wir erkennen, dass neben Leistung auch Wohlbefinden als Maßstab für Erfolg in Politik, Unternehmen, Schulen und der persönlichen Biographie gilt?

 
Gina: Wie Glück und Wohlbefinden gemessen werden, kann man sich zum Beispiel beim World Happiness Report, dem Glücksatlas der Deutschen Post, sowie dem Better Life Index des OECD ansehen. 
Das Wohlbefinden in allen gesellschaftlichen Bereichen ein essenzieller Faktor sein sollte, erscheint schlichtweg zuerst einmal logisch. Wer sich nicht gut fühlt, kann weniger gut arbeiten, lernen, kreativ sein und sich selbst weiterentwickeln.  Letztes Jahr habe ich an der OECD Konferenz in Paris teilgenommen. Dort haben sich viele Vertreter aus verschiedenen Ländern getroffen und darüber diskutiert wie genau man den Faktor des Wohlbefindens auch in der Politik als einen Maßstab einführen könnte. In anderen Ländern gibt es bereits tolle Projekte und Initiativen, die sich auch auf Landesebene damit befassen. Nach dieser Konferenz habe ich mich mit einem offenen Brief an die Regierung gewendet, da ich mit dem Ministerium für Glück und Wohlbefinden, die einzige Vertreterin aus Deutschland war. Es besteht hier also viel Nachholbedarf. Leider habe ich das Gefühl, dass die Relevanz dieser Thematik immer noch sehr weit hinter den ökonomischen Zielsetzungen angestellt wird. Ich werde weiterhin mit meiner Initiative dazu beitragen, Werbung für die Themen Glück und Wohlbefinden zu machen. Damit sie für uns alle zu einem wichtigen, wenn nicht sogar dem wichtigsten Begleiter in unserem Leben werden. So versuche ich die Themen auch in Unternehmen zu bringen und hoffe sehr, dass sie auch irgendwann fest in der Politik und der Wirtschaft verankert werden. 
 

 

Glücklich leben wir mit Fokus auf die positiven Aspekte und indem wir Verantwortung übernehmen

Ein Sprichwort besagt, dass man seines Glückes Schmied ist. Doch es scheint, als falle das Glücklich-Sein manchen Menschen leichter und anderen schwerer – unabhängig von den äußeren Umständen.

Wie kommt es, dass wir uns und unser Wohlbefinden so häufig aus den Augen verlieren? Zu welchem Anteil wird uns das Glück mit in die Wiege gelegt bzw. wie viel ist Glück selbst gemacht?

 
Gina: Dass Glücksempfinden auch von genetischen Faktoren abhängig ist, ist wissenschaftlich bewiesen. Manch einer ist ein optimistischerer Typ, ein anderer eher pessimistisch. Ein weiterer großer Faktor für das Glück spielt das Umfeld, in dem wir aufwachsen und welche Möglichkeiten sich uns bieten. Dennoch glaube ich fest daran, dass man im Rahmen seiner Möglichkeiten das eigene kleine Glück selbst in der Hand hat und so das persönliche Glücksempfinden beeinflussen kann – also, wenn man so mag, des eigenen Glückes Schmied ist. Man kann lernen seine Gedanken und Gefühle auf die positiven Aspekte im Leben zu richten, Negatives zwar zuzulassen, aber nicht so sehr ins Gewicht fallen zu lassen. Glücklichsein ist Arbeit, manchmal klappt das besser, manchmal schlechter, aber man darf nie vergessen, dass man für sich selbst in der Verantwortung steht. 
 
 

Glücklich leben beginnt der eigenen Verbundenheit

Glücklich-Sein geht nur in der Praxis. Was ist ein möglicher erster Schritt, um das Glück in die eigene Hand zu nehmen? Kannst du uns eine Aktivität oder Übung verraten, die das Glück unmittelbar fühlbar macht? Was ist ein möglicher erster Schritt, um durch das eigene Handeln einen Beitrag für eine gute Gesellschaft zu leisten?

 
Gina: Den einen ultimativen Glückstipp gibt es meiner Meinung nach nicht, aber es gibt unglaublich viele Möglichkeiten, wie wir unser persönliches Glück steigern können. Für mich beginnt das zuallererst immer mit der Verbundenheit zu sich selbst. Um zu wissen, was Glücklichsein für uns selbst eigentlich bedeutet, müssen wir uns kennenlernen. Das geht am besten, wenn man viel Zeit mit sich selbst verbringt. Nehmt zum Beispiel ein warmes Bad, hört euren Gedanken zu, genießt die Natur, kocht euer Lieblingsessen oder tanzt durch die Wohnung. Nehmt die kleinen Dinge wahr, die euch glücklich machen – und schätzt diese wert. Das kleine Glück wartet überall darauf, von euch entdeckt zu werden.
 
Um einen Beitrag für eine gute Gesellschaft zu leisten, bietet sich hier auch wieder an, im Kleinen anzufangen. Gut für sich selbst zu sorgen und seine eigenen Bedürfnisse zu kennen, bedeutet auch, besser für eure Lieblingsmenschen da sein zu können, liebe Gesten mehr wertzuschätzen und dankbar zu sein. Und das darf auch gesagt werden! Bedankt euch aufrichtig, schenkt anderen euer Lächeln und verteilt so euer Glück. Vielleicht lassen sich andere davon anstecken und die kleinen Gesten des Glücks verbreiten sich so immer mehr. 
 
 

 

Liebe Gina, vielen herzlichen Dank für deine Zeit und dass du deine Gedanken rund um ein glückliches Leben mit uns teilst. Wenn meine Leser*innen mehr von dir und deinem Tun erfahren möchte, wo finden sie dich (Website, soziale Medien)?

 
Gina: Alle Informationen zum Ministerium, den Angeboten und Materialien finden sich auf meiner Webseite: www.ministeriumfuerglueck.de
Außerdem findet man mich auf Instagram und Facebook. Bei direkten Anfragen kann man mich auch per Mail erreichen: Gina@MinisteriumfuerGlueck.de oder ihr hört mal in den ministerialen Podcast „Das kleine Glück“ rein.
Am liebsten lerne ich Menschen auf Veranstaltungen kennen, seien es Impulsabende, Workshops, Konferenzen oder Vorträge. Ich freue mich, wenn sich unsere Wege – online oder offline – kreuzen und wir uns in glücklicher Mission kennenlernen.

Gina Schöler ist Glücksministerin und hält Workshops, Vorträge und Events zu den Themen Zufriedenheit, Positive Psychologie und Lebensgestaltung.

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