Ein einfaches Leben zu führen scheint in unserer schnellen, digitalisierten und vollen Welt immer schwieriger zu werden. In Südamerika bin ich dieser Einfachheit häufig begegnet. Ich fragte mich, ob nur ich durch mein Leben rase, oder ob auch mein Leben an mir vorbeirast und wir beide vielleicht so schnell sind, dass wir uns gar nicht begegnen. Heute versuche ich, das eigene Leben im komplexen, schnelllebigen Deutschland möglichst einfach zu gestalten.
Gedanken, die mir während einer Busfahrt durch die Anden durch den Kopf gingen – der Text ist ein Auszug aus meinem Buch Schlaflos in der Regenzeit:
Ein einfaches Leben
Diese Einfachheit fragt beinahe vorwurfsvoll, warum ich so viel mehr benötige als die hier lebenden Menschen besitzen: Eine kleine Hütte aus Holz, eine Küche, ein Bett. Früchte und Gemüse aus dem eigenen Garten und eine Toilette am anderen Ende des Grundstücks. Die Aussicht steht im Kontrast zum kleinen Eigentum – unendliches Terrain. Von wenigen Augen betrachtet, von den betrachtenden Augen bewundert.
Außer Luxus scheint es alles zu geben.
Oder ist vielleicht gerade das der wahre Luxus?
Einfach leben und alles besitzen
Wenig zu haben und doch alles zu besitzen.
Einfach zu leben, aber den Lebenssinn nicht über die Materie zu definieren.
Abgeschieden zu leben, aber das Alleinsein aushalten können.
Leere zu erfahren, aber das Nichts-Tun als Tun empfinden können.
Den Tönen der Welt nicht zu lauschen, aber die innere Stimme zu vernehmen.
Frei zu sein von dem Streben nach Größerem und nicht Teil einer Gesellschaft zu sein, die Angst vor dem Versäumen hat und sich mit ihrem eigens auferlegten Leistungsdruck selbst erdrückt.
Die Dunkelheit nicht einfach durch einen Lichtschalter ausschalten zu können, aber im Einklang mit der Natur zu leben.
Ist das der größere Reichtum?
Das Tor der modernen Welt nur von außen zu betrachten und nicht durch es hindurchzuschreiten?
Bei Blicken in die ruhenden Gesichter am Straßenrand glaube ich, dass ein mittelloses Leben mit immaterieller Fülle wertvoller ist.
Einfach leben in der heutigen Zeit
Ohne E-Mails, die stillschreiend klagen, dass sie schneller beantwortet werden wollen – einzig im Gespräch mit sich selbst.
Keine Bürokratie – aber Träume in die Luft malen.
Kein materieller Überfluss – der Blick ist frei für das Wesentliche.
Kein Haschen nach Wind, kein Verschwenden der Stunden, kein Streben nach immer mehr, immer größer, immer schneller.
Keine endlosen To-Do-Listen, kein Überangebot, kein Zeitdruck.
Einfach sein, um zu Sein.
Einfachsein, um einfach zu Sein.
Ist das dann Langeweile? Sinnlosigkeit? Einsamkeit?
Oder Achtsamkeit, Erfüllung, der Sinn?
Doch was schreibe ich…
Inmitten der Einfachheit versteckt sich vermutlich die Armut, die ich nur von außen erlebe, aber nicht von innen erfahre.
Ich fühle mit, aber ich muss sie nicht spüren.
Ich bin mittendrin und doch nie mehr als eine Zuschauerin.
Wann immer ich möchte, kann ich die Bühne verlassen, denn ihr Labyrinth hält mich nicht gefangen. So ist es mir nicht erlaubt, die Faszination für die Ursprünglichkeit zu romantisieren …
»Manchmal glaube ich, dass das deutsche Leben ein Puzzle mit einhundert Teilen ist, bei dem man aus eintausend Teilen wählen kann – das Zuviel erschwert, das Wesentliche erkennen zu können.«
Aus meinem Buch Schlaflos in der Regenzeit
6 Tipps für ein einfaches Leben – zurück zum Wesentlichen
1.) Setze Prioritäten
Mache dir bewusst, was für dich persönlich wichtig ist, was dir Kraft gibt und deinen Werten entspricht. Mache diese Elemente zu deiner Priorität
2.) Nein sagen können ist eine Voraussetzung für ein einfaches Leben
Um für deine Prioritäten einzustehen und deine Grenzen zu wahren, ist es wichtig, ohne Schuldgefühle nein sagen zu können. Mache dir bewusst, wozu du „ja“ sagst, wenn du „nein“ sagst und lerne deine Bedürfnisse ernst zu nehmen.
3.) Reduziere Reize und vermeide Multitasking
„Weniger ist mehr“ ist der grundlegende Gedanke für ein einfaches Leben. In der modernen Welt, in der sich inzwischen vieles ins Digitale verlagert hat, gilt das besonders für die Zeit, die du online verbringst. Reduziere deine Medienzeit und genieße Momente deines analogen Lebens.
4.) Ein einfaches Leben geht mit Zeit in der Natur einher
Die Natur ist eine große Kraftquelle. Zeit in der Natur zu verbringen und den natürlichen Rhythmus von Säen, Wachsen, Erblühen und Verwelken zu beobachten, wirkt beruhigend und entschleunigend. So kann Gartenarbeit – und somit das Tun mit den Händen – ein wichtiger Kontrast zu häufiger Bildschirmarbeit und Beschleunigung sein.
5.) Ernähre dich gesund
Ernähre dich bevorzugt von frischen und unverarbeiteten Nahrungsmitteln. Je weniger Verarbeitungsschritte ein Lebensmittel hinter sich hat, umso gesünder ist es für gewöhnlich. Ernähre dich für eine Woche ausschließlich von basischen Lebensmitteln, um dich in Verzicht zu üben und dich auf dich zu besinnen. Entspanntes und bewusstes Kochen ist Teil eines achtsamen und einfachen Lebens.
6.) Reduziere deinen Konsum und sortiere dein Leben
Überlege, was du wirklich brauchst, um ein zufriedenes Leben zu führen. Besitz nimmt viel Zeit in Anspruch. Sortiere und ordne dein Zuhause und Leben. Weniger ist mehr. Erfreue dich an dem, was du hast, anstatt nach immer mehr zu streben. Praktiziere Dankbarkeit.
Musik zum Thema: Willy Astor – Einfach sein
2 Kommentare
Exotische Blumen auf Hawaii entzücken
Kornblumen am Wegesrand bleiben ungeliebt
Sonnenbaden wie ein Model auf einer Jacht
einsam wiegt sich das Ruderboot am Flussufer
Gedanken großer Namen mit Ehrfurcht gelesen
die Weisheiten einfacher Leute gering geschätzt
Königliche Parkanlagen mit Rosenblüten bezaubern
vergessen, die alte Holzbank unter dem Hibiskus
Das teure Wellnesshotel mit Schwimmbad gebucht
im eigenem Badezimmer nie die Kerzen angezündet
Die Welt ist voller unscheinbarer Schätze
lasst sie uns entdecken … mit Achtsamkeit
Wunderschön, lieber Andreas.
Vielen Dank.